Samstag, 22. November 2014

Rezensionsansätze des Artikels "Esser [...] versus [...] Luhmann" (Greshoff 2005)

Im folgenden findet man Ansätze einer Rezension des intellektuell sehr anregenden Artikels "Soziologische Grundlagen kontrovers: erklärende Soziologie (Esser) versus soziologische Systemtheorie (Luhmann) - wie groß sind die Unterschiede?" (Greshoff 2005). Dies dient(e) nur als Vorbereitung eines persönlichen Treffens (incl. Diskussion) zwischen dem Autor des Artikel - Rainer Greshoff - und StudentInnen (incl. dem Rezensenten), welches unter Beteiligung und Moderation von Rainer Schützeichel an der Universität Bielefeld am 19-Dez-2014  innerhalb eines Theorie-Seminars WS 2014/15 (Schützeichel 2013) stattfand.

Von: Lutz Ebeling (Stand 21-Dez-2014)

1. Kontext, Vorwort
1.1 Zur Einordnung in den Wissenschaftsdiskurs
"Individualistische[...] und holistische[...] Theorieansätze[...]" (Schützeichel 2013: 2) (Fn1) der Soziologie  scheinen unvereinbar sein. Das gilt beispielsweise für Handlungs- und Systemtheorien von Esser (1999) bzw. Luhmann (1984, 1997). In diesem Wissenschaftsdiskurs geht es entweder um die "bessere" Erklärung einer Theorie oder um die Frage welche Theoriebildung die (vermeintlich zersplitterte) Soziologie "besser" integrieren kann. In diese Diskussion lässt sich Greshoffs Artikel einordnen. 

Weitere Hilfestellungen bei der Einordnung in diesen Diskurskontext geben 
  1. Greshoffs Forschungsprogramm, welches durch folgende Fragen angedeutet wird: "Theorieproduktion: Vom Vergleich zur Integration? Brauchen wir eine neue Theorienvergleichsdebatte?" (Greshoff 2010) und 
  2. der Artikel zur Frage nach der "begrifflichen[n] Bestimmung des Gegenstandes Gesellschaft" (Greshoff 2003: 71).
  3. Kritisch nimmt Schneider zu dem Artikel Greshoffs Stellung mit der Frage "Wie ist Kommunikation ohne Bewusstseinseinschüsse möglich? Eine Antwort auf Rainer Greshoffs Kritik der Luhmannschen Kommunikationstheorie" (Schneider 2008: 470). Auch Greshoff nimmt kurz kritisch (Greshoff 2005: 81, Fußnote 8) zu einem Text von Schneider (2003:59) Stellung.
  4. Beachtet man das Alter des Textes - inzwischen gut 10 Jahre - lässt sich 
  5. Zusammenfassend lässt sich die Divergenz aus Sicht des Rezensenten vielleicht in den zwei folgenden Standpunkten darstellen
    1. Die (empirischen) Prozessoren der multiplen Konstitution: "Wer tut es?" (Rainer Greshoff) und
    2. die (analytische) Bedeutung von sinnhaften Kommunikationsanschlüssen: "Wie läuft es ab?" (Rainer Schützeichel betonte diesen Punkt der Bedeutung in der Kommunikation).  
Vielleicht findet sich dann in Schneider (1994) "[e]ine mögliche Synthese von (empirischen) Prozessoren (Greshoff) und (analytischen) Bedeutung (Schützeichel) in Kommunikationsanschlüssen"? Zur Begründung siehe im extra Post hier des Blogs unter Synthese von Prozessoren und Kommunikation? (Implizit klassifizierte der Rezensent die Standpunkte mit empirisch versus analytisch – worüber man streiten könnte. Andererseits entspricht das Luhmanns Ansicht, „daß Kommunikation nicht direkt beobachtet, sondern nur erschlossen werden kann“ (Luhmann 1984: 226, Hervorh. i. Ori.). Mehr siehe unter Synthese von Prozessoren und Kommunikation?.

Das Folgende stellen nur sehr knappe Hinweise - und kein Exzerpt - zu den Kapiteln dar, da es als nur Ausgangspunkt für die sich anschließenden Fragen diente.

1.2 Zum Vorwort (Abschnitt 1-3, S. 78-80)
Ähnlich wie Luhmann "den gesamten Gegenstandsbereich der Soziologie zu erfassenversucht (1984: 33), möchte Essers Theorie die "multiparadigmatische Zersplitterung der Soziologie durch eine integrative Konzeption zu überwinden" (78). Essers Ansatz stellt jedoch die "Luhmann-Seite sehr verkürzt" dar, weil "die Relationierung der Konzepte Luhmanns und Essers nicht erkennbar von einer Position aus erfolgt" (78). Dagegen versucht Greshoff  in dem vorliegenden Artikel zu zeigen, "wie nahe sich im Grunde die kontroversen Positionen in der Konzeptualisierung dessen sind, was sie als den zentralen Gegensatz der Soziologie begreifen" (79).

Dazu wird zunächst in auf knapp sieben Seiten Essers Modell erläutert (Kapitel 1, 80-86), sodann auf 25 Seiten Luhmanns Theorie (Kapitel 2, 86-111), um dann auf den letzten sieben Seiten (Kapitel 3, 112-118) beiden Theorien im Hinblick auf die Nähe ihres Standortes zusammenfassend zu vergleichen.

In der vorliegenden Rezension wird die grundlegende Kenntnis beider Theorien vorausgesetzt. Als Einstieg sei auf Esser (1999) und Schimank (2010) bzw. Luhmann (1997: Kapitel I) verwiesen. Dies führt dazu, dass im vorliegenden Artikel die Kapitel 1 und 2 nur andeutungsweise exzerpiert werden,. Es wird sich insbesondere aus die aus Kapitel 3 ergebenden Anschlussfragen für weitere Forschungen konzentriert.

2 Zum Kapitel "1. Essers Modell der soziologischen Erklärung" (Abschnitt 4-12, S. 80-86)
Essers Theorie versucht "kollektive Phänomene, und zwar typische soziale Situationen, deren Reproduktion bzw. deren Wandel, vor allem ihrer Strukturen, zur erklär[en]"(80)(Fn2). Greshoff lässt dazu Kritiker wie Baecker, Schneider oder Nassehi zu Wort kommen (80 f.).

3 Zum Kapitel "2. Luhmanns Konzeption des Sozialen" (Abschnitt 13-45, S. 86-111)
Aufgrund der Analyse der multiple[n] Konstitution" (Luhmann 19984: 65 f.) oder der doppelten Kontingenz kommt Greshoff zum thesenhaften Schluss, dass "Produkte dieser Prozessoren (oder psychischen Systeme, L.E.) das soziale System [bilden], die Prozessoren inklusive deren Produktionstätigkeiten sind relativ dazu Umwelt" (89). 

4 Zum Kapitel "3. Esser und Luhmann im Vergleich" (Abschnitt 46-53, S. 112-119)
Nach Luhmann werden "Operation und Strukturen [...] in den sozialen Systemen hergestellt", anders als Essers Theorie es nahe legt. "[D]ann bestünden soziale Systeme als bloßes Produkt externer Produktionsinstanzen" (112). Jedoch auch "Selektionen [...] haben [...] einen intentionalen Charakter" (112).

5 Offene Fragen des Rezensenten, zugleich eine bewertende Stellungnahme.
Die folgenden Fragen dienten als Vorlage zu einem Treffen zwischen Rainer Greshoff und StudentInnen (incl. dem Rezensenten) - unter Moderation von Rainer Schützeichel an der Universität Bielefeld am 19-Dez-2014 - innerhalb eines Theorie-Seminars WS 2014/15 von Rainer Schützeichel (2013).

5.1 Sehr positive Würdigung
Grundsätzlich stellt der Artikel ein beachtenswerte Leistung dar; denn es wird einerseits der Spagat zwischen den architektonisch unterschiedlichen Theorien bewahrt, zum anderen werden mit der Kritik zugleich Vorschläge der Annäherung beider Theorien dargestellt.

5.2 Reihenfolge der Theorien
Zunächst wird Essers Theorie vorgestellt, dann Luhmanns Theorie. Letztere wird auf der dreifachen Seitenanzahl nicht nur vorgestellt sonder direkt diskutiert, beispielsweise wird "zentralen Annahmen von Luhmann widerspr[o]chen" (89). Durch diese Reihenfolge, aber auch aufgrund der Anzahl der Seiten erscheint es zunächst so, also ob Luhmanns Theorie mit der von Esser kritisiert wird - es also ein Ungleichgewicht zu Gunsten Essers Theorie gibt. Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass dies weniger der Fall ist. Andererseits - so Greshoff mündlich  (hier nicht autorisiert) - ist Kritik ein Hilfsmittel um Vergleiche produktive zu gestalten oder erst möglich zu machen. Dem ist sicherlich zuzustimmen.

5.3 Anschein einer einseitigen Beobachterposition.  Bias in Bezug auf die ersten beiden Erklärungsschritte:
5.3.1 Erklärungsschritte
Greshoff betrachtet primär die ersten beiden der drei Erklärungsschritte: die Logik der Selektion und die Logik der Selektion (Fn3) - Ausnahme: die "zirkulären Abweichungsverstärkung" und "Aggregation" (116 f.). Soziologisch spannender wäre es, die Logik der Aggregation stärker in Augenschein zu nehmen (Fn4). Denn auch "Esser unterstreicht, dass für eine vollständige Erklärung eines sozialen Phänomens immer alle drei Logiken bearbeitet werden müssen" (Schimank 2010: 25). Vielleicht bieten weitere Texte von Greshoff dazu mehr Anhaltspunkte - wie beispielsweise Greshoff (2003). Der Rezensent vermutet, dass auch Luhmann nicht bestreiten würden, dass intentionale Erwartungen beteiligter psychischer Systeme "Einfluss" auf das Kommunikationssystem besitzen, jedoch höchsten über den Umweg der strukturellen Kopplung. Zwar wird "nicht-intendierte Folgen" (84), "Transformationsbedingungen" (85: Fußnote 14) gesprochen, jedoch in Kapitel 3 kaum noch im Vergleich zur Systemtheorie ausgeführt. Dies war vermutlich auch nicht zwangsweise intendiert und wird wohl auch kaum ausgeschlossen.

5.3.2 die "multiple Konstitution" ist ein Synonym eines Beobachters in der Umwelt

A) Systemreferenz Umwelt vs. System
Ist die multiple Konstitution wirklich akteurstheoretisch soviel anders als die systemtheoretische Betrachtungsweise der doppelten Kontingenz? Ist der Unterschied nicht eher nur in der Systemreferenz des Beobachters zu suchen, d.h. soziale Systeme als Produktioninstanzen" (112) bzw. operativ selbstreferentes System (Kommunikationsprozess)? Die Sicht aus der Umwelt auf Interaktionssystem durch die Brille der "multiplen Konstitution" macht kaum die "Annahme einer strukturellen Kopplung ((Abschnitt, L.E.) Nr. 18) überflüssig" (112), denn nur so können psychische Systeme an sozialen Systemen 'teilnehmen'. Und dass Stichweh dies anders als Greshoff sieht (112, Fußnote 37) ist nahe liegend, da man Stichweh u.a. als Lehrstuhlnachfolger von Luhmann vermutlich eher als Systemtheoretiker als einen Akteurs- oder Handlungstheoretiker (wie Esser) bezeichnen darf.

Wenn Greshoff die folgende These impliziert, dass "Produkte dieser Prozessoren (oder psychischen Systeme, L.E.) das soziale System [bilden], die Prozessoren inklusive deren Produktionstätigkeiten sind relativ dazu Umwelt", dann wird der Unterschied zu Luhmanns Standpunkt deutlich wenn man sich das Wort "inklusive" genauer vergegenwärtigt. Denn an dem Punkt würde Luhmann widersprechen, da die Produktionstätigkeit psychischer Systeme (Gedanken) etwas anderes ist als die von sozialen Systemen (Kommunikation), auch wenn sie die gleiche Operationsweise (Autopoiesis) nutzen, was jedoch eine Komplexitätsebene tiefer anzusiedeln wäre. Aber in der Tat weist Greshoff - mündlich  (hier nicht autorisiert) - zurecht auf das Problem, wer oder was denn diese Operationsweise des Kommunikationsanschlusses durchführt? Es müssen doch die Prozessoren sein?

Insofern ist es unproblematisch, dass gesamthaft die Betrachtungsweise des Systems aus der Umwelt eingenommen wird, was zwar bei dem Begriff der "multiplen Konstitution" (112) durchschimmert,. Multiple Konstitution darf man jedoch nicht als fundamentalen Begriff Luhmanns aufwerten, wie dies in Greshoffs Artikel den Anschein hat. Luhmann hat zumeist die systemimmanente Perspektive der Selbstreferenz oder Autopoiesis inne. Luhmann nutzt in seinem Werk soziale Systeme die These der "multiplen Konstitution" (Luhmann 1984: 60, Abschnitt 10) nach Meinung des Rezensenten eher als Einleitung zur Diskussion hin zur "operative[n] Ebene bzw. [den] Systemprozesse[n]" (Luhmann 1984: 67, Abschnitt 11) und zu "selbstreferentielle[n] Systemverhältnisse[n]" (Luhmann 1984: 68, Abschnitt 12). 

Es bleibt jedoch ohne Frage das Problem laut Greshoff mündlich (hier nicht autorisiert), wer oder was erzeugt eigentlich diese Selbstreferenz? Das müssen eben die Prozessoren sein.


B) Elimination einer noch zu bewährenden These
Greshoff braucht somit nicht zwischen operationaler Schließung und fremdreferentiellen Verweis auf Information in der Umwelt genau genug zu unterscheiden, wenn er im Rahmen der multiplen Konstitution überlegt dass "soziale Systeme [...] keine Poiesis-Komponente [hätten]" und "die Annahme einer strukturellen Kopplung (Nr. (Abschnitt, L.E.) 18) überflüssig wird" (112). Dies ist logisch zunächst korrekt. Handelnde Akteure brauchen keine Poiesis. Die Frage ist, was man verliert? Man ignoriert dabei den Schließungsmechanismus der Systeme - eine sich noch zu bewährende Hypothese Luhmanns,  soziologisch wäre beispielsweise Diskriminierung ein gutes Beispiel.



5.3.3 vier Akteurmodell nach Schimank (2010)
Könnte nicht statt intentionalem Handeln (eher Homo Oeconomicus) die drei anderen Akteurmodelle von Schimank (2010) mitbetrachtet werden: der Homo Sociologicus, Emotional Man und Identitätsbehaupter? Dies würde vielleicht an den berechtigen Hinweis Greshoffs anschließen, dass Esser "von Nutzorientierung [...] ausgeht" und dazu "bei Luhmann kaum Entsprechung [...] herauszuarbeiten [ist]" (117 f.)

5.4 Sinn beachten
Sinn als vielleicht zentrale Kategorie bei Luhmann könnte mehr betrachtet werden - Ausnahme: "'Sinn' [...] [als] Selektions-Modus der Informationsverarbeitung"(117). Insbesondere soll laut Luhmann in der selbstreferenten Kommunikation von Alter her gedacht werden. Inwieweit stellen dabei nicht nur intentionale Handlungsabssichten (Greshoff) Bedingungsfaktoren der Interaktion dar, sondern gerade auch Erwartungen, die u.U. nicht intentional sind (was aber widerum bei Intentionalität mitgedacht sein könnte). 

Grundsätzlich müsste man beim Vergleich der Theorien - oder der Nähe ihres Standpunktes - zunächst fragen, ob nicht eher Handlung (Esser) als Kommunikation mit Sinn (Luhmann) die zentrale soziologische Kategorie darstellt. 

Die Tatsache, dass das nicht näher untersucht wurde, heißt aber nicht, dass es deswegen ausgeschlossen wird. Greshoff stellt dies mündlich dar (hier nicht autorisiert), dass es natürlich sinnhafte soziale Phänomene gibt oder Aggregationen, welche durch Sequenzen von Handlungen entstehen. Sinn ist dabei - so Greshoff - eher übergreifend - also oberhalb von sozialen Systemen - zu sehen (hier nicht autorisiert).


5.5 Stichpunkte zur weiteren Diskussion im Theorievergleich
5.5.1 was ist mit Semantik/Ges.Struktur?
5.5.2 wie sind SGKM zu verorten?
5.5.3 Attribution/Zurechnungsprozess?
5.5.4 funktionale Differenzierung?
5.5.5 Weitere Analyse (112 ff.)
- Stichpunkt: Gedanke = Verstehen, Rede = Mitteilung (112).
Das klingt ein wenig nach Synonymen. Vermutlich hat Luhmann mit der Ablehung von Gedanke/Rede eher das klassische Kommunikationsmodell (Sender-Empfänger) im Hinterkopf gehabt. Greshoff ist Recht zu geben, dass auch hier der Unterschied nicht so groß ist. Interessant ist hierbei die folgende Aussage Luhmanns einzuordnen: "Das Bewußtsein beteiligt sich an der Rede redend und schweigend. Es kann planen, was es sagt, und verschweigen, was es nicht sagt. Es kann sich beim Reden beobachten und korrigieren. Es kann merken, daß das Gesagt nicht ganz trifft, was gemeint war" (Luhmann 2008: 189).
5.5.6
- Ressourcenkontrolle versus Erwartungen
"Esser [bindet] Handeln an die Annahme, dass die jeweiligen Gegenüber Ressourcen kontrollieren" (113). Das ist insofern "konkreter" (113) als Luhmann eher von Erwartungen spricht. Letzteres schließt erstes nicht aus, sondern ist auf einer abstrakteren Ebene angelegt.
5.5.7
- "Selektionen [...] haben [...] einen intentionalen Charakter" (113).
Das ist insofern nachvollziehbar, weil laut Kron (2002) bei Luhmann offen ist, wie und warum eigentlich selektiert wird. So auch Greshoff, dass "Selektionswahlen [...] bei Luhmann wenig Programm [haben]" (116). Das ist offenbar ein eher empirisches Problem für Luhmann.
5.5.8
- "overte Handlung" (114). Das mögen die an anderen orientierten Erwartungen sein. Hier ist soziologisch der Unterschied höchstens Handlungs versus Kommunikation. Da letztes eher auf eine Sinntheorie von System/Umweltbezogen ist, ersteres aber auf das Badewannen-Modell ist es ein architektonischer Unterschied. Was die "Ermöglichung des Sozialen" (112, kursiv. im Ori.) besser beschreibt, muss sich wohl erst bewähren.
5.5.9
- Makro/Mikro-Selbstbeschreibungen
"Esser Akteur [wählen] einen ihrer Ansicht nach passenden Frame", der [...] gestlegt [...] was der Code/das Oberziel ist" (115).
  1. Einerseits Frame, andererseites Codes im Rahmen von Strukturen, der Unterschied scheint nicht groß. Makroebene: "Frames [...] implizieren [...] eine sozialsysteme Perspektive, [...] was Luhmann soziale Selbstreferenz nennt" (115). 
  2. Andererseits: Auf der "Mikroebene gibt es ebenfalls eine Selbstbeschreibung [...] - Stichwort 'Verschränkung von Perspektiven' [...] Code und Skript" (115).
5.5.10
Es scheint alles wirklich ähnlich zu sein.
- "Person ist [...] Teil der [...] Makro- - Selbstbeschreibung" (116)
5.5.11
- Struktur
Es folgen die Erklärungsschritte 1 und 2. Es werden "strukturelevante[...] Erwartungen und Bewetungen [...] reproduzier[t]" (116).
5.5.12
Was meint Nassehi mit der "Voraussetzung der Erklärung" (Nassehi 2003: 23 zit. in 81) genau? Wird Greshoffs Gegenargument dieser Kritik gerecht? Nassehi scheint eher selbstreferent zu argumentieren, möchte zunächst die Frage nach der Erklärung der Erklärung stellen, also offenbar zunächst klären, was denn eine Erklärung überhaupt sei oder ob man methodisch Essers Vorgehensweise als Erklärung - quasi von außen zur Gesellschaft - benutzen kann. Dagegen richtet sich Greshoffs Gegenargument darauf, dass Nassehi die sozialen Situation als Voraussetzung der Erklärung meint. Es scheint so, also ob hier ein wenig aneinander vorbei geredet wird. Diese Argumentationen müsste genauer untersucht werden.

Zugleich müsste die Bemerkung, dass Schneider ähnlich wie Baecker und Nassehi verkürzt Essers Theorie kritisiert (81: Fußnote 8), genauer untersucht werden.

5.5.13 "overte Handlungen" (82) und coverte Handlungen vs. Systemtheorie.
Die Systemtheorie interessiert sich eher "nur" für overte Handlungen (am Alter orientiert, doppelte Kontingenz). Nur diese Handlungen sind soziologisch interessant. Coverte Handlungen würden vermutlich eher dem psychischen System zugeordnet. Insofern lässt sich die Unterscheidung overt/covert mit der Systemtheorie schwer vergleichen.


5.5.14
Zur strukturellen Kopplung wird dagegen nicht eingegangen (siehe unten). Desgleichen ist der Kritikpunkt Gedanke = Verstehen, Rede = Mitteilung (112) schwer nachvollziehbar, da es eher um Synonyme geht. Wichtiger wäre es eventuell diese Aussagen Luhmanns nicht zu hoch zu bewerten, zum einen ist der Text von Luhmann von 1984 eher als Einführung zu sehen, zum anderen müsste man alle Texte insbesondere sein Abschlusswerk (Luhmann 1997).

5.5.15
Greshoff schreibt, dass Luhmanns behauptet "seine Konzeption  sei gegenüber methodologisch-individualistisch fundierten Positionen radikal verschieden grundgelegt" (79). Zum einen fehlt eine Angabe der Quelle, zum anderen muss eine solche Aussage vermutlich in den Kontext von Abgrenzungsversuchen eingeordnet werden. Es geht eher darum, die eigene Theorie darzustellen, als diese mit anderen zu vergleichen. Ähnlich ist auch Essers Motivation zu verstehen, dass sie laut Greshoff "sehr verkürzt - geradezu karikaturhaft - diskutiert wird" (78). Auch hier fehlen Quellenangaben. Trotz der beiden fehlenden Quellenangaben kann der Rezensent die Einschätzung Greshoffs teilen, dass bei der jeweiligen gegenseitigen Beurteilung Esser vs. Luhmann ein "Schieflage" (79) herrscht - auch wenn sie sowohl aus Sicht Essers als auch Luhmanns nachvollziehbar ist.


Fußnoten (Fn) 
(Fn1) Diese Unterscheidung Individualistisch/Holistisch entstammt dem großartigen Hinweis von Prof. Rainer Schützeichel u.a. in der Ankündigung zum Seminar im Vorlesungsverzeichnis ekVV der Uni Bielefeld (hier nicht autorisiert).
(Fn2) Essers Erklärungsmodell  basiert auf der Coleman'schen Badewanne, findet man es in Kapitel 6 aus Essers Soziologie-Einführungsbuch hoch: "Die Grundstruktur soziologischer Erklärungen" (Esser 1999: 6). Das Erklärungsmodell "geht zurück auf David McClelland, James Coleman und Siegwart Lindenberg" (Schimank 2010: 16, Fn. 6).
(Fn 3) Zu diesen drei Erklärungsschritten: Vgl. Schimank (2010: 21 ff.).
(Fn 4) Ähnlich argumentiert auch Schimank (2012), wenn er meint, dass gerade in der Logik der Aggregation die soziologische Herausforderung steckt.

Literatur
* Greshoff, Rainer (2005): Soziologische Grundlagen kontrovers: erklärende Soziologie (Esser) versus soziologische Systemtheorie (Luhmann) - wie groß sind die Unterschiede? In: Uwe Schimank und Rainer Greshoff (Hg.): Was erklärt die Soziologie? Methodologien, Modelle, Perspektiven. Berlin: LIT, S. 78–119.

---Literatur
* Esser, Hartmut (1999): Soziologie. Allgemeine Grundlagen. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Campus.
* Greshoff, Rainer (2003): Kommunikation als subjekthaftes Handlungsgeschehen - behindern "traditionelle" Konzepte eine "genaue begriffliche Bestimmung des Gegenstandes Gesellschaft"? In: Hans-Joachim Giegel und Uwe Schimank (Hg.): Beobachter der Moderne. Beiträge zu Niklas Luhmanns "Die Gesellschaft der Gesellschaft". Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 71–113.
* Greshoff, Rainer (2005): Soziologische Grundlagen kontrovers: erklärende Soziologie (Esser) versus soziologische Systemtheorie (Luhmann) - wie groß sind die Unterschiede? In: Uwe Schimank und Rainer Greshoff (Hg.): Was erklärt die Soziologie? Methodologien, Modelle, Perspektiven. Berlin: LIT, S. 78–119.
* Greshoff, Rainer (2010): Brauchen wir eine neue Theorienvergleichsdebatte? In: ZfS-FORUM: Theorieproduktion: Vom Vergleich zur Integration? 2 (1), S. 1–12. Online verfügbar unter http://www.zfs-online.org/index.php/forum/article/viewFile/3040/2574, zuletzt geprüft am 10.12.2014.
* Kron, Thomas (Hg.) (2002): Luhmann modelliert. Sozionische Ansätze zur Simulation von Kommunikationssystemen. Opladen: Leske + Budrich.
* Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
* Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2 Bände. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
* Luhmann, Niklas (2008 [1995]): Wahrnehmung und Kommunikation sexueller Interessen. In: Niklas Luhmann (Hg.): Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch. 3. Aufl. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss (Soziologische Aufklärung / Niklas Luhmann, 6, Ed. 3), S. 180–193.
* Schneider, Wolfgang Ludwig (2003): Handlung - Motiv - Interesse - Situation. Zur Reformulierung und explanativen Bedeutung handlungstheoretischer Grundbegriffe in Luhmanns Systemtheorie. In: Hans-Joachim Giegel und Uwe Schimank (Hg.): Beobachter der Moderne. Beiträge zu Niklas Luhmanns "Die Gesellschaft der Gesellschaft". Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 42–70.
* Schneider, Wolfgang Ludwig (2008): Wie ist Kommunikation ohne Bewusstseinseinschüsse möglich? Eine Antwort auf Rainer Greshoffs Kritik der Luhmannschen Kommunikationstheorie. In: Zeitschrift für Soziologie (ZfS) 37 (6), S. 470–479. Online verfügbar unter http://zfs-online.org/index.php/zfs/article/viewFile/1286/823, zuletzt geprüft am 12.12.2014.
* Schneider, Wolfgang Ludwig (1994): Intersubjektivität als kommunikative Konstruktion. In: Peter Fuchs und Andreas Göbel (Hg.): Der Mensch, das Medium der Gesellschaft? Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 189–238.
* Schimank, Uwe (2010 [2000]): Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie. 4., völlig überarb. Aufl. Weinheim: Juventa.
* Schützeichel, Rainer (2014): BA-Studiengruppe "Soziologische Theorie". eKVV: WS2014 / 300039. Universität Bielefeld. Online verfügbar unter http://ekvv.uni-bielefeld.de/kvv_publ/publ/vd?id=51029318, zuletzt geprüft am 18.10.2014.

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