Donnerstag, 5. Mai 2016

Wie sind Irritationen durch Konversationskreise möglich? (Hutter 1989: 90-104; 130-139)

1) Überblick: 
Im Folgenden werden Konversationskreise als Irritationen zwischen Wirtschaft und Recht im Text von Hutter dargestellt (2.1 - 2.2). Es folgt der Versuch eines selbstgewählten Anwendungsbeispiels (2.3) - das Embargo des Exportes von Wirtschaftsgütern in den Iran. Anschließend (2.4) werden zwei Fragen zur Übersetzungsleistung und zum Ort der Konversationskreise formuliert (mit Andeutungen zu Antworten).

2) Details:
2.1) "Wer irritiert wen?" und grob "Wie?"(zur Leitfrage in Mölders 2016):  Wirtschaftspersonen irritieren durch Konversationskreise Rechtspersonen und vice versa (941). "Personen werden als soziale Systeme, als Mitteilungsströme interpretiert" (94). "Entsteht eine Steigerung der Mitteilungsaktivität zwischen Wirtschafts- und Rechtspersonen führt dies zu autonom handelnden Konversationskreisen" (S. 90), über die  die "Konversationsteilnehmer [...] einen Teil ihrer eigenen Aktivitäten [...] laufen [lassen]" (94). Dieser Teil der Aktivitäten sind die durch o.g. Mitteilungsströme ausgelösten "Kommunikationshandlungen" (94), durch die sich die Konversationskreise reproduzieren (94). Das Mitteilungshandeln der jeweiligen Personen erfolgt im "primären Kontext" (91) der jeweiligen Leitunterscheidungen des Funktionssystems, hier Recht (Unrecht) oder Wirtschaft (Transaktionen, Geld).

2.2 Genauer zum "Wie?":  Personen können Unternehmen sein. "Sie versuchen, Mitteilungen zu finden, die für andere Personen wertvolle Information darstellen. Die anderen Personen reproduzieren diese Mitteilungen innerhalb ihrer eigenen Konversationen. Dadurch reproduzieren sie gleichzeitig die Einheit, die Identität der aussendenden Personen. Dieser Vorgang ist "verschränkt", d.h.: die anderen Personen verfahren genauso, und jeder Anfangspunkt der wechselseitigen Unterstellung von Identität, des "Einpflanzens der eigenen Identität in die interner Konversation anderen Personen, muss seinerseits unterstellt werden" (92). "[S]ie muss in der Lage sein, die eigene Identität zur Verhaltenskompetenz der Umweltsysteme zu machen" (92). "Konversationskreise zechnen sich gerade dadurch aus, daß sie mehrere Leitunterscheidungen präsent halten" (95).

2.3) "Wozu?"/Beispiel: Zunächst kann man sich ein Beispiel vergegenwärtigen, wie das Embargo des Exportes von Wirtschaftsgütern aus Europa in den Iran, da dieser u.a. durch die EU und die USA mittels wirtschaftlichen Sanktionen zu politischen Maßnahmen gezwungen werden sollte. Wie wird nun mittels der Funktionsweise der Konversationskreise ersichtlich, wozu diese Irritation erfolgt? Dies wird durch folgende Aussage bei Hutter klar: "Wenn Recht 'produziert' wird, dann induzieren Wirtschaftsmitteilungen Veränderungen im Recht, die in einer späteren Zeitperiode von Wirtschaftspersonen als Transaktionsmittel [...] verwendet werden können" (138). D.h. u.a. die EU und die USA produzieren Sanktionsrecht, was über Konversationskreise als Mitteilung in der Wirtschaft eine "wertvolle Information darstell[t]" (92), da es Einfluss auf die Transaktionen der Wirtschaft und entsprechenden Gewinn hat (Geld), da Waren eines EU-Unternehmens nicht mehr in der Iran exportiert werden können, was vor der Änderung des Rechts möglich war.

2.4) Fragen:
1) Wie erfolgt die Übersetzungsleistung in der Konversationskreisen mit den verschränkten Identitäten (92)? Vermutete Antwort: Es ist die "wertvolle Information" (92) der Rechtsproduktion, die als Informationsirritation in der Umwelt der Wirtschaftsperson auftaucht. Sie fragt sich, was diese Information für einen möglichen Einfluss auf die Transaktionen in ihrem eigenen Wirtschaftskontext hat? Es ist also die Frage nach der Relevanz oder des Wertes der Information; und wie diese in den Kontext der Wirtschaftsperson eingebaut wird.

2) Wo finden die Konversationskreise mit den beteiligten Personen statt? Hutter deutet es an, wenn er peripher zum primären Kontext von "intermediären Gruppen" spricht, die "mehrere Leitunterscheidungen präsent halten" (95). Man könnte sich das so vorstellen, dass die Rechtsabteilung in einer EU-Wirtschaftsorganisation sich nicht nur Rechtsänderungen als Texte zuschicken lässt, sondern gerade auch Kontakte mit Adressaten aus der EU-Bürokratie (oder über Wirtschafts-Lobby-Verbände) pflegt, die den aktuellen Stand des drohenden Iran-Embargos genauer kennen, da sie möglicherweise über die Kopplung des politischen System entsprechende "wertvolle Informationen" (92) besitzen; oder diese Information "als eigene Identität zu Verhaltenskompetenz der Umweltsystem zu machen"(92). Die identitäts-interne Konsequenz - an der primären Leitunterscheidung orientiert - wäre, Transaktionen in Form von Wirtschaftsgütern auf anderen Märkten versuchen zu platzieren.



-----------Fußnoten
1 Seitenangaben ohne Autor beziehen sich auf Hutter (1989)

-----------Literatur
Hutter, Michael (1989): Die Produktion von Recht. Eine selbstreferentielle Theorie der Wirtschaft, angewandt auf den Fall des Arzneimittelpatentrechts. Tübingen: J.C.B. Mohr.

Mölders, Marc (2016): Irritationsgestaltung. Seminare im WiSe 2014_15 und SoSe 2016, ekVV-Belegnummern: 300168 bzw. 300148. Universität Bielefeld. Online verfügbar unter https://ekvv.uni-bielefeld.de/kvv_publ/publ/vd?id=37979814, zuletzt geprüft am 08.04.2016.

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