Samstag, 23. April 2016

Warum irritiert das Rechtssystem eine Organisation so viel anders als eine TNC?

Genauer: Warum irritiert "das" Rechtssystem eine nationalstaatliche Organisation so viel anders als eine transnationale Organisation (TNC) - zumindest aus der Theoriebrille Luhmanns beobachtet?


Hypothese: Im Folgenden wird die Hypothese vertreten, dass in dem sehr spannenden Text von Teubner (2010) relativ viel theoretischer Aufwand betrieben wird, den man unter einer veränderten Beobachtung reduzieren könnte. Das soziologisch sehr interessante empirische Phänomen von TNCs auf Weltgesellschaftsebene gegenüber nationalstaatlichen Organisationen bleibt dabei logischerweise erhalten: Recht versus Ökonomie.

Zunächst vorab: In Bezug auf die Leitfrage des Seminars (Mölders 2016) wird davon ausgegangen, dass es in dem Text primär darum geht, dass nationalstaatliche Rechtssysteme Organisationen irritieren, beispielsweise "strukturelle Kopplung [...] zwischen Unternehmensorganisation und Recht" (S. 8). Zudem heißt die Sitzung "Irritation rechtstheoretisch" (Mölders 2016, Hervorh. LE). Eher am Rande werden Irritationen politischer Systeme auf TNCs erwähnt, beispielsweise "politische[...] Initiativen (S. 1) oder "NGOs" (S. 2 bzw.  21). Es soll nicht erneut diskutiert werden, ob ein Funktionssystem eine Organisation überhaupt direkt irritieren kann, wie es im obigen Beispiel vorkommt; denn beide Systeme liegen auf unterschiedlichen Komplexitätsebenen oder Ebenendifferenzierungen bei Luhmann (Heintz/Tyrell 2013). Es wird im Folgenden davon ausgegangen, dass sich entweder nur Funktionssysteme irritieren können oder analog wechselweise Organisationen (diese auf dem Umweg über entsprechende Funktionssysteme). Beispielsweise irritiert die "UNO" (S. 14) mit Kommunikationen im Rechtssystem eine TNC im ökonomischen System als eine System-zu-System-Beziehung oder Irritationskanal, wenn ein TNC aus der Modebranche mit Menschrechten in asiatischen Ländern laxer umgeht als in mitteleuropäischen Ländern (aus rein ökonomischen Gesichtspunkten rational nachvollziehbar, da die Stundenlöhne entsprechend differieren).

Zur Diskussion/Hypothese:
Teilt man alle Begriffe in die Bereiche Recht von Ökonomie, beispielsweise Juridifaktion bzw. private Normierung oder private ordering handelt es sich hier zunächst um eine Kopplung zweier Funktionssysteme. Dass Organisationen der Ökonomie sich an Rechtsvorschriften orientieren, alleine um Geld zu verdienen, statt in Rechtsprozesse verwickelt zu werden, ist evident. Nicht umsonst kann eine TNC laxer mit Rechtsvorschriften im asiatischen Raum umgehen, als es im mitteleuropäischen Raum normal ist. Somit muss es in einer TNC einen hinreichen abstrakten Wertecode geben (corporate governance oder private ordering), damit die Operationen der Organisation an die jeweiligen Gepflogenheiten der Staaten, in denen man ökonomisch jeweils tätig ist, angepasst wird. Ob es dazu der Begriffe Hyper- und Ultrazyklus bedarf, kann diskutiert werden - insbesondere wenn dann auf einmal von Netzwerken die Rede ist (S. 17). Warum von Irritation zwischen Netzwerken sprechen (S. 17), wenn es doch nichts anderes als Irritationen zwischen Subsystemen (Abteilungen/Firmen eines Konzerns) sind, die sich nur in etwas anders gearteten Rechtsräumen (Staaten) befinden. Ein gutes Beispiel bietet der Konzern B der ein Rechenzentrum in G (Deutschland) und in S (China) besitzt. In Mitteleuropa bekommen die Angestellten differenzierte Aufgabenstellung, in China ist das bei entsprechender sehr geringer Bezahlung nicht erlaubt. Letzteres wird über die Menge ausgeglichen, sodass geringfügige Anpassung in der TNC-Organisation man sich an das Rechtssystem vor Ort anpasst. Entsprechende Irritationen laufen von der chinesischen Abteilung zur arbeitstechnisch gleichen Abteilung in Deutschland. Beispielsweise werden Massenkonfigurationen von Netzwerken in China durchgeführt, in Deutschland wird das eher konzipiert. Somit stellt sich auch die Frage, ob von privater "Normierung" die Rede sein muss, da Normen primär im Rechtssystem erzeugt werden und die wenigen Normen in der TNC nichts anderes als arbeitstechnische Gepflogenheiten sind (eher Empirie als Theorie). Dann braucht auch der Code im Sinne Luhmanns nicht in einen Hybridcode aufgeteilt zu werden, genauso wie man den Code of Conduct in organisatorische Gepflogenheiten übersetzen könnte. Private ordering oder gar private Normierung wäre nichts anderes als das Ergebnis der Irritation zwischen den Subsystemen Gewerkschaft und ökonomisch arbeitenden Divisons (Bereiche, Abteilungen, Subsysteme). Selbstverständlich existieren Rechtskommunikationen in Organisationen der Ökonomie; ob man den Begriff des "law" in hard/soft law (S. 20) aus Sicht von Lumanns Theorie aufteilen muss bleibt diskussionfähig.

Literatur:

Heintz, Bettina; Tyrell, Hartmann (Hg.) (2013): Interaktion - Organisation - Gesellschaft. Stuttgart: Lucius & Lucius.

Mölders, Marc (2016): Irritationsgestaltung. Seminare im WiSe 2014_15 und SoSe 2016, ekVV-Belegnummern: 300168 bzw. 300148. Universität Bielefeld. Online verfügbar unter https://ekvv.uni-bielefeld.de/kvv_publ/publ/vd?id=37979814, zuletzt geprüft am 08.04.2016.


Teubner, Gunther (2010): Selbst-Konstitutionalisierung transnationaler Unternehmen? Zur Verknüpfung ' und 'staatlicher' Corporate Codes of Conduct. In: Stefan Grundmann, Brigitte Haar und Hanno Merkt (Hg.): Unternehmen, Markt und Verantwortung. Festschrift fur Klaus J. Hopt zum 70. Geburtstag am 24. August 2010. Berlin: De Gruyter, S. 1449–1470. Online verfügbar unter https://www.jura.uni-frankfurt.de/42828681/CSRdtFSHopt.pdf, zuletzt geprüft am 13.04.2016.

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