Mittwoch, 13. April 2016

"Irritation" bei Luhmann (1997: 789–801), genauer zur "Irritationsgestaltung" bei Mölders (2016, 2015, 2013/14)

Kommentar 1:

Es klang in der ersten Sitzung so, also ob Funktionssysteme nicht irritiert werden können. Zu einer Konkretisierung der Leitfrage des Seminars: Warum kann das Rechtssystem bei einer Gesetzesänderung das ökonomische System in Fragen veränderter Zahlungen nicht irritieren?

Beispiel: Wird der Soli-Zuschlag oder gar eine Verfassungsänderung durch das Rechtssystem durchgeführt, hat dies Konsequenzen auf die empirische Menge von Zahlungen oder Gewinnen im ökonomischen System.
     Auf eine geringere Komplexitätsebene der Organisation heruntergebrochen ist es natürlich so, dass eine Organisation des Rechtssystems (eine konkrete Verwaltungsstelle des politischen Systems) die Rechtsänderung umsetzt und die Organisationen des ökonomischen Systems letztgültig eine Änderung auf den Gehaltsabrechnungen ihrer Mitarbeiter durchführen muss.

Konsequenz: Wie in der ersten Sitzung angeklungen, können Organisationen irritiert werden, was das genannte Beispiel plausibilisiert. Wenn man diese Irritation jedoch "nur" abstrakter auf einer höheren Komplexitätsstufe formuliert (wie oben versucht), so könnte man doch auch sagen, dass ein Funktionssystem ein anderes irritiert? Ich stelle diese Frage zur Diskussion, da ich selbst dahingehend unsicher bin.

Hypothese: Irritation sind primär auf einer zeitlichen Dimension zu verorten. Die oben indirekt angedeutete strukturelle Kopplung zwischen Recht und Ökomonie ist eine auf der Sozial- und/oder Sachdimension. (Vermutlich schreibt Luhmann nicht umsonst zum einen, dass er "strukturelle Kopplungen voraussetz[t][...]" (1997: 789); und zum anderen behandelt er das Thema "strukturelle Kopplung" im davorliegenden Kapitel (1997: 776 ff.).

Ich freue mich auf weitere Diskussionen.

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Leitfrage: Wer oder was irritiert wen oder was wie und zu welchem Ende (wozu)?

-----------Literatur
Luhmann, Niklas (1997): Irritationen und Werte. In: Ders.: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 789–801.

Mölders, Marc (2013/14): Systeme da abholen, wo sie stehen? Systemangepasste Kritik, Aufklärung und Steuerung. Rezension zu: Hagendorff, Thilo, Sozialkritik und soziale Steuerung. Zur Methodologie systemangepasster Aufklärung. In: Soziale Systeme 19 (1), S. 198–203.

Mölders, Marc (2015): Der Wachhund und die Schlummertaste. Zur Rolle des Investigativ-Journalismus in Konstitutionalisierungsprozessen. In: Zeitschrift für Rechtssoziologie 35 (1), S. 49–67.

Mölders, Marc (2016): Irritationsgestaltung. Seminare im WiSe 2014_15 und SoSe 2016, ekVV-Belegnummern: 300168 bzw. 300148. Universität Bielefeld. Online verfügbar unter https://ekvv.uni-bielefeld.de/kvv_publ/publ/vd?id=37979814, zuletzt geprüft am 08.04.2016.

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